Die große Hetze - PEGIDA und AfD gegen Flüchtlinge und "Islamisierung"
Gerade heute habe ich gelesen, dass es nun eine brandneue Möglichkeit gibt, im Osten unseres Landes seine politische Beschränkheit auszudrücken. PEGADA (die "Patriotischen Europäer gegen die Amerikanisierung des Abendlandes") sind jetzt in Erfurt am Start und wollen ihre erste Veranstaltung, EnDgAmE ("Engagierte Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas"), abhalten. Die Leute von PEGADA sind allerdings nicht etwa eine Bewegung, die Seit' an Seit' mit PEGIDA ("Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes"), also diesem Schmelztiegel von rechtsradikalen HassaktivistInnen und vermeintlich "besorgten", tatsächlich aber rassistischen BürgerInnen, der seit Wochen Dresden in Atem hält, marschieren könnte, sondern vielmehr eine GEGENbewegung, die PEGIDA als von der Regierung gesteuert und von den realen Problemen ablenkend betrachtet.
PEGADA dagegen hat es verstanden. Das eigentliche Problem ist die "Amerikanisierung Europas". Die Amis sind an allem Schuld. Wie ich schon in meinem letzten Beitrag geschrieben habe, sind die US-AmerikanerInnen tatsächlich an einigem Schuld. Aber diese eingeschränkte Art der Sichtweise ist eine aus rechtsradikalen Gründen verengte, die einen "israelisch-amerikanischen ImperialistInnenkomplex" konstruieren möchte. Letztendlich ist aber nicht PEGADA das Thema, auf das ich eingehen möchte, sondern PEGIDA und die (im schlechtesten Sinne) verwandte Partei AfD ("Alternative für Deutschland"), weswegen ich den PEGADA-Teil nun schließe.

PEGIDA - was soll das eigentlich? Der Mythos, dass PEGIDA lediglich aus besorgten BürgerInnen besteht und mit Rassismus eigentlich nichts zu tun hat, dürfte sich nun auch für den Letzten und die Letzte erledigt haben, nachdem diese Woche die widerlichen Online-Ausfälle des PEGIDA-Anführers Lutz Bachmann bekannt geworden sind (siehe z.B. hier.
PEGIDA nutzt die Angst vor einer vermeintlichen Islamisierung, um gegen MuslimInnen und vor allem auch gegen eine der schwächsten Gruppen in Deutschland zu hetzen, AsylbewerberInnen im Allgemeinen. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass das schäbig ist. Doch davon abgesehen ist es auch inhaltlich unberechtigt.

Eine "Islamisierung des Abendlands", vor der gewarnt wird, gibt es nicht, und schon gar nicht in Deutschland und schon überhaupt gar nicht in Sachsen. Ca. 5 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen sind Muslime, in Sachsen sind es gerade mal 0,1 Prozent - also etwa 4000 Menschen. Es gibt also ein Vielfaches davon an PEGIDA-DemonstrantInnen in Dresden (Quelle). In Bremen, wo ich wohne und welches der Spitzenreiter der "Islamisierung" mit ca. 10 Prozent der Bevölkerung ist, konnte bisher kein PEGIDA-Ableger Fuß fassen. Das belegt erneut die These, dass, wo man sich besser kennenlernt, Rassismus kein großartiges Problem ist.
Und überhaupt - welche abendländischen Werte sollen in Dresden eigentlich verteidigt werden? Diejenigen, die den Deutschen ab 1945 von den Alliierten auf die harte Weise eingetrichtert wurden, nachdem diese zwei Weltkriege angefangen hatten? Oder jene, die durch Inquisition und Kreuzzüge jahrhundertelang gepflegt wurden? Etwas historisches Bewusstsein wäre schön, für PEGIDA-AnhängerInnen aber wahrscheinlich nur das Ergebnis einer Kampagne der "Lügen(Schulbuch-)presse".

Mindestens genauso übel ist die Hetze gegen Flüchtlinge, die PEGIDA betreibt. Wie im Link oben zu Lutz Bachmanns Ausfällen beschrieben, bezeichnete er AsylbewerberInnen als "Viehzeug" und warf ihnen vor, ein Luxusleben auf Kosten der Deutschen zu führen. Ungefähr so ist auch der Tenor bei PEGIDA, wenn auch mit weniger harten Worten. Doch das macht es nicht besser.

AsylbewerberInnen sind und bleiben eine der schwächsten Gruppen in der Bundesrepublik. In Bremen mag es etwas leichter, in Bayern etwas härter sein, doch grundsätzlich werden Flüchtlinge seit Anfang der neunziger Jahre, als die Politik gegenüber dem braunen Mob, der Flüchtlingsunterkünfte in Brand setzte, einknickte, das Grundrecht auf Asyl aushöhlte und die Asylgesetze massiv verschärfte, schikaniert, wo es nur geht. Sie müssen z.B. einen "anerkannten" Fluchtgrund vorweisen, d.h. "Wirtschaftsflüchtlinge" sind ausgeschlossen, politisch Verfolgte sind ok. Das bedeutet im Klartext: Wenn zwei Flüchtlinge aus zwei verschiedenen afrikanischen Staaten in einem Boot über das Mittelmeer fahren und es schaffen, nicht zu ertrinken und dann noch nach Deutschland zu kommen (was eine enorme Zusatzschwierigkeit ist, da nach den Dublin-Verträgen dasjenige Land sich um den Flüchtling kümmern muss, in dem dieser zuerst registriert wurde, was die Staaten an den Außengrenzen der EU massiv benachteiligt und Deutschland dafür massiv bevorteilt), dann kann es sein, dass der eine Flüchtling Asyl erhält, weil Europa es aus strategischen Gründen für sinnvoll erachtet, den Diktator in seinem Heimatland zu stützen, der ihn politisch verfolgt, während der andere kein Asyl erhält, obwohl Europa seinen Wohlstand nur dadurch halten kann, dass es günstige Ressourcen aus des Flüchtlings Heimatland abgreift und es wirtschaftllich so klein hält, dass er zu Hause am verhungern ist. "Wirtschaftsflüchtlinge" sind Menschen, denen es in ihren Heimatländern ökonomisch so dreckig ging, dass sie sich entschieden, alles aufzugeben und in Europa ein besseres Leben zu suchen. Sie müssen feststellen, dass Europa eine sich abschottende Festung ist, in der meist kein Platz für die hochgelobten abendländischen Werte wie bspw. Solidarität ist.

Zwei der dreistesten Aussagen zum Thema Flüchtlinge sind schließlich "Luxus auf Kosten der Deutschen" und "Das Boot ist voll". Man muss sich nur ein wenig mit Asylpolitik und v.a. Asylunterkünften auskennen (und noch nicht einmal die schrecklichen Bilder misshandelter Flüchtlinge in diesen sehen), um zu wissen, dass Flüchtlinge unter teils dramatisch schlechten Bedingungen leben müssen und extrem schlecht behandelt werden. So dürfen sie teilweise nicht einmal den Landkreis verlassen, in dem sie interniert sind. Davon zu reden, dass sie es sich in Deutschland "bequem machen und gut gehen lasen", ist eine skandalöse Lüge.
Ebenso wie "Das Boot ist voll". Deutschland feierte sich, als 10000 syrische Flüchtlinge eingeflogen und aufgenommen wurde. Davon abgesehen, dass bei diesen "Kontingentflüchtlingen" teilweise ihre in Deutschland lebenden Verwandten für sie aufkommen müssen (!), ist die reine Anzahl lächerlich. Das syrische Nachbarland Libanon hat über eine Million Flüchtlinge aufgenommen, bei gerade einmal ungefähr vier Millionen EinwohnerInnen. Es ist damit überfordert, na klar, aber irgendwie geht das öffentliche Leben weiter. Bevor also in Deutschland (davon hochgerechnet) 20 Millionen Menschen vor der Tür stehen, sollten PEGIDA und Konsorten mal geschmeidig die Füße stillhalten.
Ich könnte jetzt noch mit dem ökonomischen Nutzen von Einwanderung anfangen, aber ich bin der Meinung, man sollte Menschen nicht nach ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit bewerten. Vielmehr sollte die Menschlichkeit gebieten, Menschen in Not in einem so reichen Land wie Deutschland aufzunehmen.

Viele Menschen bei PEGIDA dürften gute Gründe dafür haben, wütend zu sein. Viele sind soziale AbsteigerInnen oder haben Angst vor einem solchen sozialen Abstieg. Das hat viel mit der neoliberalen Politik der letzten Jahrzehnte zu tun, die nur einem geringen Teil der Bevölkerung, nämlich dem reichsten, überhaupt genützt hat. Doch dafür AusländerInnen und AsylbewerberInnen verantwortlich zu machen ist falsch und rassistisch. Man lässt sich von Nazis, RechtspopulistInnen und rechten ScharfmacherInnen für deren Zwecke instrumentalisieren. Diejenigen bei PEGIDA, die dies verstehen können, sollten sich DRINGEND von der Bewegung distanzieren. Den anderen muss gezeigt werden, dass die toleranten Kräfte in der Überzahl sind. Sonst besteht die Gefahr, dass sich Morde wie der an dem jungen Eritreer Khaled Idris Bahray häufen werden und Dresden und andere Orte in Deutschland endgültig zu No-Go-Zonen für Nicht-Weiße werden. Mal ganz davon abgesehen, was das alles für das politische Klima in Deutschland bedeuten würde - eine dramatische rassistische Wende wäre kaum noch zu stoppen.

Dazu trägt auch die AfD bei, die offensiv um die PEGIDA-Bewegung buhlt. Die AfD, die zunächst als Ein-Thema-Partei (Anti-Euro) gestartet war, entdeckt den bürgerlich getarnten Rassismus immer mehr für sich. Da kommt ihnen eine "soziale Bewegung" wie PEGIDA gerade recht. Und so wird die AfD zu einer stets gefährlicher werdenden Partei, die ebenso abgelehnt werden muss wie PEGIDA und ihre bundesweiten Ableger.

Damit wir eine offene und tolerante Gesellschaft bleiben können, müssen die Kräfte, die sie gefährden, bekämpft werden. Genau das meint das Bundesverfassungsgericht, wenn es immer wieder im Sinne einer streitbaren, wehrhaften Demokratie geurteilt hat. Und genau deswegen darf Protest gegen AfD und PEGIDA nicht unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit unterdrückt werden. Vielmehr müssen alle Bürgerinnen und Bürger, die die oben genannte offene und tolerante Gesellschaft wollen, dafür eintreten und sich dem zu Tage getretenen Rassismus in den Weg stellen. Nur so kann dieses Land für alle lebenswert bleiben.