Warum Steuern wichtig sind
In der medialen Berichterstattung kommt es immer wieder zu verkürzten Darstellungen von Sachverhalten. Das ist teilweise notwendig, um diese Sachverhalte allen Menschen verständlich zu machen (auch jenen, die keinen Masterabschluss in Politikwissenschaften haben) und auch nicht weiter dramatisch, wenn der Original-Sachverhalten durch die Verkürzung nicht verfälscht oder verzerrt wird.

Leider kommt es auch immer wieder dazu, dass genau Letzteres passiert und es zu falsch wiedergegebenen oder arg verzerrten Meldungen kommt. Ein wichtiges Beispiel ist hier die Rentenpolitik, bei der ausschließlich mit dem demografischen Wandel der Teufel an die Wand gemalt wird. Aspekte wie die Massenarbeitslosigkeit, die verstärkt wird, wenn Menschen noch länger arbeiten müssen und viele andere, die diese neoliberale Erzählung hinterfragen würden, werden leider meistens ausgeblendet. Da dies aber nicht das heutige Thema sein soll, möchte ich lediglich auf ein PDF aus der ZEIT (hochgeladen von der Nachdenkseiten) hinweisen, das einige interessante Punkte zur Rente darlegt.

Ein weiteres Thema, was leider immer wieder verzerrt dargestellt wird, ist das Thema Steuereinnahmen. So hört man fast jedes Jahr auf's Neue von "Rekordsteuereinnahmen", die immer wieder dazu genutzt werden, den vermeintlich nicht zu sättigenden Staat zu kritisieren. Auch die meisten Artikel, die relativ sachlich mit der Tatsache umgehen, schaffen es nicht, eine simple Wahrheit auszusprechen (auch wenn sie nah dran sind wie hier): Jährlich steigende Steuereinnahmen sind völlig normal und ein Zeichen für eine Wirtschaft, die wächst und nicht in einer Rezession steckt. Eine Wirtschaft, die mehr produziert und mehr verkauft, zahlt mehr Steuern. Wenn die Menschen, die in einer wachsenden Wirtschaft arbeiten, mehr Geld verdienen (und das natürlich völlig zurecht), zahlen sie auch mehr Steuern. Um diesen Sachverhalt darzustellen, braucht man gerade mal einen Absatz. Dies würde aber den Interessen vieler Unternehmen und Unternehmensverbände widersprechen, die immer wieder für einen schwachen Staat kämpfen, der möglichst viele Aufgaben an den privaten Sektor abgibt und der seinen BürgerInnen eine möglichst geringe Absicherung bietet, damit diese unter Druck geraten. Leider sind auch große Teile der Medienlandschaft in der Hand weniger Konzerne, die ihre Interesse innerhalb der kapitalistischen Marktlogik vertreten. Deshalb wird das Thema nur sehr selten aufgedröselt.
Die Frage, warum dann die Steuersätze nicht gesenkt werden sollten, liegt natürlich auch auf der Hand: Eine Wirtschaft, die wächst und in der Menschen mehr Geld verdienen, wird im Normalfall auch eine höhere Inflationsrate haben, da auch Preise hochgehen. Dadurch wird auch alles für den Staat teurer, der nun für Investitionen oder auch, um es ganz runterzubrechen, für jeden Kugelschreiber mehr Geld bezahlen und auch seine staatlichen Leistungen finanziell anpassen muss. Außerdem muss gerade in einer wachsenden Wirtschaft mehr Geld vom Staat investiert werden, z.B. in die Verkehrsinfrastruktur.

Und dann sind wir auch schon beim Knackpunkt angelangt. Es gibt viele Menschen, die sich darüber beschweren, Steuern zahlen zu müssen. Im Einzelfall muss das auch nicht zu Unrecht sein. Gerade im Bereich der unteren und mittleren Mittelschicht kann ich Verständnis aufbringen für solche Klagen angesichts der Tatsache, dass Arbeitseinkommen im Vergleich zu Kapitaleinkommen und Vermögen vergleichsweise hoch besteuert werden. Mein Verständnis endet aber spätestens dann, wenn sich fünf Sätze später darüber aufgeregt wird, dass man mal wieder durch ein Schlagloch gefahren oder das Bildungssystem unterfinanziert sei.
Dass es zwischen Steuern und staatlichen Leistungen wie Instandhaltung von Infrastruktur und Bildungsfinanzierung einen direkten Zusammenhang gibt, wird von diesen Menschen entweder nicht gesehen oder geflissentlich ignoriert.

Durch Steuern wird eine riesige Menge an Feldern finanziert. Bildung und Infrastruktur sind neben Gesundheit große Brocken, aber auch jegliche Form der öffentlichen Verwaltung. Tatsächlich ist Deutschland kein Hochsteuerland, wie man durch das mediale Bombardement zum Thema Rekordsteuereinnahmen denken könnte, sondern eher Durchschnitt und schon gar nicht ist der Staat ein besonders "verschwenderischer" (Die Staatsquote, also Staatausgaben im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt, liegt ein gutes Stück unter dem EU-Durchschnitt). Gleichzeitig sind die öffentlichen Dienstleistungen in Deutschland massiv unterfinanziert (siehe Schulen, Hochschulen, das Gesundheitswesen) und haben viel zu wenig Personal. Kein Wunder, wenn mitbedacht wird, dass das Personal im öffentlichen Dienst seit Anfang der neunziger Jahre (und einer massiven Privatisierungswelle, z.B. bei der Deutschen Post) von etwa 6,7 Millionen auf etwas über 4,6 Millionen Mitte 2013 (und ungefähr auch heute) geschrumpft ist. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich meilenweit hinter den skandinavischen Staaten wie Norwegen und auch deutlich hinter Frankreich (etwa 30 bzw. 23 Prozent) - und somit auch insgesamt eher am unteren Ende.

Wie konnte es dazu kommen? Ganz simpel: In der Zeit zwischen dem Untergang der Sowjetunion und dem Ausbruch der Finanzkrise galt in der westlichen Welt und in Deutschland besonders stark das Credo: Privat vor Staat. Dem vermeintlich ineffizienten Staat sollte soviel wie möglich aus den Händen genommen werden, da die private Wirtschaft es ja eh viel effizienter und besser bewerkstelligen könne. Besonders perfide ist die Vorgehensweise der neoliberalen Bewegung, mit der staatliche Leistungen als schlecht und ineffizient gebrandmarkt werden. Zunächst wird einfach behauptet, der Staat habe zu viel Geld für seine öffentlichen Dienstleistungen und arbeitet ineffizient. Diese Lüge wird solange wiederholt, bis die Steuern gesenkt und das Geld für staatliche Dienstleistungen gekürzt wird. Durch diese Kürzungen verschlechtert sich natürlich auch das Angebot, woraufhin von neoliberaler Seite sofort der Stich kommt, die öffentliche Leistung sei qualitativ schlecht und von privaten viel hochwertiger (und natürlich effizienter) erbringbar. Wenn das Mantra lange genug wiederholt wird, kommt es schließlich zur Privatisierung (Der Prozess wird eindrucksvoll von Albrecht Müller im Buch "Meinungsmache" beschrieben).

Aber es ist nunmal erwiesenerweise Quatsch, dass der Staat immer ineffizient ist und der Markt besser. Im Bereich Kommunikation (Telefon, Internet) hat sich der Markt tatsächlich als innovationsfördernd und qualitätsverbessernd erwiesen. Dagegen stehen aber mannigfaltige Beispiele im Bereich Energie, Wasser, Krankenhäuser, öffentlicher Personennah- und Fernverkehr etc., bei denen Privatisierung weltweit zu einer deutlich verschlechterten Lage geführt haben.

Der Punkt ist, dass Teile der elementaren öffentlichen Daseinsvorsorge für alle Menschen kostenlos (oder zumindest zu einem für jeden und jede erschwinglichen Preis) zu einer guten Qualität zur Verfügung gestellt werden müssen. Der kapitalistische Markt an sich, der auf Profitmaximierung angelegt ist, kann und will dies nicht in erster Linie gewährleisten. Deswegen müssen diese Güter und Dienstleistungen dem Markt enzogen und öffentlich organisiert werden.

Diese Güter und Dienstleistungen sind das Mindeste, was der Staat organisieren und qualitativ hochwertig anbieten muss. Er ist dafür auf Steuergeld angewiesen. Über die Funktion der öffentlichen Daseinsvorsorge hinaus bin ich aber der Meinung, dass der Staat auch in das Wirtschaftsgeschehen eingreifen können muss, sowohl regulierend als auch als ein Investitions- und Innovationsmotor. So muss er in Krisenzeiten Nachfrage erzeugen können und auch in Bereiche investieren, die privaten InvestorInnen zu heikel sind, um den Fortschritt zu fördern (warum es viele Innovationen, die dem Markt zugeschrieben, sonst nicht gäbe, kann sehr schön hier nachgelesen werden). Auch das sind für mich enorm wichtige Gründe, einen gut ausfinanzierten Staat zu haben.

Alles in Allem kann ich nur allen Menschen raten, die öfter über Steuern und den Staat herziehen, mal über einige Zusammenhänge länger nachzudenken und nicht immer nur draufzuhauen. Wenn es viel Unterrichtsausfall gibt, kann das auch daran liegen, dass der bewundernswerte Nachbar, der drei Parkbänke in der Nachbarschaft gespendet und von der Steuer abgesetzt hat, sein Geld lieber auf den Cayman Islands lagert statt seinen Anteil an den Fiskus zu überweisen, damit die Schule genug LehrerInnen einstellen kann.

Zu polemisch? Vielleicht. Aber sicherlich weniger zynisch als die Mode des Steuer-Bashings.