Den Deutschen ihr Lieblingssport
Die SG Findorff spielt seit dieser Saison in der Bezirksliga Bremen. Der Verein in dem Stadtteil Bremens, in dem ich wohne, ist letzte Saison abgestiegen und spielt deswegen in dieser, in der siebten Liga. Manchmal gönne ich mir den Spaß und verbringe am Wochenende zwei Stunden neben dem Fußballplatz. Eintritt kostet 2 Euro und man muss mit dem Schlimmsten rechnen. Aber manchmal kommen doch ganz ansehnliche Spiele heraus.
Auf der Website Fussball.de finden sich Informationen zu so ziemlich allen Ligen in Deutschland. Und davon gibt es eine ganze Reihe! Laut Wikipedia traten in der Saison 2012/13 33.633 Mannschaften in 2344 Ligen auf bis zu 13 Ebenen an. Und heute werden es nicht viel weniger sein. Wenn ich Informationen sage, dann bedeutet das meistens mindestens, dass dort steht, wer wann die Tore geschossen oder eine Karte bekommen hat. D.h., es gibt für jede Liga mindestens eine/n Fußballverrückte/n, der/die die Schiedsrichterberichte durchforstet.
So ziemlich in jedem Stadtteil und jedem Kaff gibt es einen Fußballverein - oder es gab ihn zumindest, auch wenn er mittlerweile aus Kostengründen mit dem Nachbarverein fusionieren musste.
Selbst wenn man zu den durchaus zahlreich vorhandenen Menschen gehört, die sich nicht für Fußball interessieren, kann man sich in Deutschland dem Lieblingssport nicht gänzlich entziehen. Von der Herrenweltmeisterschaft bis zum Staffelsieg der lokalen B-Jugend, von dem im Anzeigenblättchen berichtet wird. Der Fußball ist allgegenwärtig und hat einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft. Dies bringt viele Vorteile mit sich. Genau wie alle anderen (gerade Mannschafts-)Sportarten auch und wegen seiner Popularität nunmal potenziert, hat er eine große Integrationskraft und ist auch aus gesundheitspolitischer Sicht unverzichtbar.

Doch es ist etwas faul im Staate Fußball. Schon lange ist klar, dass die FIFA, der quasi-mafiös aufgebaute Weltfußballverband, ein korrupter Drecksladen ist. Nachdem Joseph "Sepp" Blatter jahrelang dort schalten und walten konnte, wie er es wollte, er und seine FunktionärInnen ordentlich Kasse machen und Staaten wie Südafrika und Brasilien ausnehmen konnten, waren es am Ende tatsächlich die USA bzw. das FBI, denen es zu bunt wurde. Und das, obwohl Fußball dort wenn überhaupt eher noch ein aufstrebender Sport ist - und vom sonst so omnipräsenten Ruf der "Amis" mal ganz abgesehen.

Eigentlich war schon das ein Armutszeugnis für die Verbände der eigentlich"großen" Fußballnationen. Auch für den Deutschen Fußballbund (DFB). Doch für den kommt es nun noch dicker. Das Sommermärchen, die Fußball-WM 2006, bei der die Welt zu Gast bei deutschen Freunden war und Deutschland sich endlich so nett präsentieren durfte wie es das schon immer wollte, soll gekauft worden sein. Und anscheinend doch nicht vom Satiremagazin Titanic, sondern vom DFB höchstselbst. Wer jetzt wann genau bestochen und wer gelogen hat, ist noch nicht so ganz klar. Und mediale Verbündete der damals agierenden Seilschaften (wie z.B. Sport-Bild-Cefredakteur Alfred Draxler) versuchen auch eine Nebelkerze nach der anderen zu werfen. Was aber immer klarer wird: Auch der DFB hat ordentlich mitgemischt im globalen Fußballkorruptionskarussell. Ein Skandal, der die deutsche Fußballseele mitten ins Herz trifft!

Ein Skandal, der die deutsche Fußballseele mitten ins Herz trifft? Nun ja, ganz so einfach ist es nicht. Die Frage, die sich nun stellen wird, ist: Werden sich die Menschen hierzulande lange genug empören, damit es ernsthafte Reformen geben kann? Man schaue sich nur die deutsche Vereinsstruktur an. So mancher Landesverband einer Volkspartei ist transparenter und weniger klüngelbelastet als viele der Vereine an der Basis. Seilschaften gibt es auch dort zu genüge. Doch das ist in Ordnung: Man kennt sich ja. Und wer nicht mitmachen will, wenn am Stammtisch Entscheidungen getroffen will, der kann halt gehen. Dass nebenbei am gleichen Stammtisch davon gesprochen wird, wie korrupt unsere PolitikerInnen seien und dass die ja eh machen würden, was sie wollen, gehört zum guten Ton. Dass dies nicht auf alle Vereine zutrifft, ist selbstverständlich. Dass das deutsche Vereinswesen aber nicht gerade ein Hort progressiven Handelns ist, sollte ebenso klar sein.

Und es ist ja nun nicht so, dass die Empörung über die FIFA jemals groß genug geworden wäre, dass sich ernsthaft etwas geändert hätte. Die Party war bei jeder WM auf's Neue groß - obwohl allenorts über die FIFA gelästert wurde. Am Ende Schadenfreude zu empfinden und "RICHTIG SO!" zu schreien, wenn diverse FIFA-FunktionärInnen abgeführt werden - das reicht einfach für Hochmut nicht aus.

Fußball ist für alle da und sollte eigentlich demokratisch organisiert werden. Der Meinung bin ich auch. Doch Fußball ist auch ein Riesengeschäft. Mit der WM 2014 alleine hat die FIFA einen Gewinn von 1,6 Milliarden Euro eingefahren. Da viele Leute bereit sind, direkt Geld auszugeben, Gebühren zu zahlen oder Werbung über sich ergehen zu lassen, wird das auch so bleiben. Unser Wirtschaftssystem lässt auch gar nichts anderes zu.
Das weckt viele Begehrlichkeiten und regt geradezu dazu an, sich diese Geldmassen zu eigen zu machen, um sie sich in die eigene Tasche zu wirtschaften oder damit Macht über den meistbeachteten Sport weltweit zu bekommen.

Eigentlich müsste Fußball also deutlich stärker zumindest demokratischer Kontrolle unterworfen werden - aber sind wir bereit, uns dafür einzusetzen? Die meisten von uns betrachten Fußball gucken und spielen als Freizeit, in der wir uns eigentlich nicht mit wirklich ernsthaften Themen beschäftigen wollen (auch wenn für viele ein Derby das ernsthafteste ist, was sie sich vorstellen können). Der Fußball ist eine Parallelwelt, in die wir immer mal wieder kurz eintauchen können, um uns der richtigen Welt zu entziehen.

Sind wir als Gesellschaft bereit, diese Parallelwelt zu einer Bühne des Politischen zu machen? Ich bleibe da eher skeptisch. Aber die Hoffnung stirbt wie immer zuletzt.